Das Toleranzfenster: Warum dich stressige Hundesituationen aus der Bahn werfen – und wie du gelassener bleiben kannst.
"Bleib einfach gelassen..."
... dann kann auch dein Hund gelassen bleiben. Schon mal gehört?
Ich weiß, dass diesen oder ähnliche Sätze viele Hundemenschen mindestens einmal hören. Vor allem dann, wenn es um Hundeverhalten geht, die sie selbst in eine Stresssituation bringen. Sehr oft bemerke ich, dass sich meine Kundinnen und Kunden fast schämen und mir sagen, dass sie schon wissen, dass das Problem an ihnen liegt und sie selbst gelassener bleiben müssten.
Aber sie schaffen es nicht. Und das ist kein gutes Gefühl.
Den Tipp, man müsste "einfach" gelassen bleiben sehe ich sehr kritisch. Du wirst ihn in dieser Form in meinen Trainings niemals hören. Denn: Was jemanden in Stress versetzt, wie stark die Stressreaktion ist und ob der Hundemensch die Möglichkeit hat, sich zu regulieren, hängt von ganz individuellen Faktoren ab.
Erklärungsmodell Toleranzfenster
Das Toleranzfenster ist ein psychologisches Konzept, das ursprünglich aus der Traumatherapie stammt.
Das Toleranzfenster beschreibt den emotionalen Bereich, in dem wir uns sicher, ausgeglichen und handlungsfähig fühlen. Innerhalb dieses Fensters können wir klar denken, ruhig bleiben und lernen – egal ob im Alltag oder in Situationen mit dem Hund.
Aber was passiert, wenn wir das Fenster verlassen? Unser Nervensystem geht in den Überlebensmodus:
- Hyperarousal (Übererregung): Angst, Panik, oder Aggression dominieren.
- Hypoarousal (Untererregung): Gefühle wie Taubheit, Leere oder Resignation treten auf.
Beispielsweise kann eine unangenehme Hundebegegnung dazu führen, dass dein Körper Alarm schlägt, selbst wenn keine echte Gefahr besteht. Dein Herz rast, der Atem wird flach, und du fühlst dich wie gelähmt. Das Toleranzfenster ist überschritten.
Ob das Toleranzfenster überschritten wird, hängt von vielen individuellen Faktoren ab: Deiner Prägungen und Lebensgeschichte, deinen Erfahrungen, deinen aktuellen Lebensumständen ... .
Wie kann dir das Modell helfen, gelassener zu bleiben?
Das Modell des Toleranzfensters kann dir helfen, besser zu verstehen, warum du in stressigen Situationen – wie Hundebegegnungen – nervös oder überfordert reagierst. Es zeigt dir, dass solche Reaktionen keine persönliche Schwäche sind, sondern eine natürliche Funktion deines Nervensystems. Dieses Wissen hilft dir, mit mehr Mitgefühl auf dich selbst zu schauen, anstatt dich für deine Emotionen oder Reaktionen zu verurteilen.
Das Toleranzfenster verdeutlicht, dass du nur innerhalb dieses „sicheren Bereichs“ ruhig, handlungsfähig und lernbereit bist. Wenn du durch Stress – etwa die Angst vor einem Konflikt zwischen Hunden, dem Konflikt mit einem Menschen oder andere Auslöser deines Hundes – aus diesem Bereich herausfällst, übernimmt dein Nervensystem die Kontrolle. Das kann bei dir zu Überreaktionen führen, und Angst und Stress auslösen.
Mit diesem Verständnis kannst du gezielt daran arbeiten, dein Toleranzfenster zu erweitern. Atemübungen, Achtsamkeit, Selbstfürsorge und kontrollierte Trainingssituationen helfen dir, deinen „sicheren Bereich“ zu stabilisieren und Stück für Stück zu vergrößern. So kannst du langfristig lernen, in stressigen Situationen gelassener zu bleiben.
Hol' dir Unterstützung
Hole dir unbedingt die Unterstützung, die du brauchst! Wenn du bemerkst, dass du auch im Alltag oft in Stress gerätst und sozusagen aus deinem Toleranzfenster fällst, dann kann ich dir sehr empfehlen, Coaching oder therapeutische Unterstützung zu suchen. Das kann großen Einfluss auf dein Hundetraining haben.
Wenn du dir wünscht, den konkreten Hundesituationen, die dich stressen langsam gelassener begegenen zu können, dann macht es Sinn, dich an eine Trainerin/einen Trainer deines Vertrauens zu wenden.
Wenn du in Graz, Graz-Umgebung, Voitsberg oder Deutschlandsberg wohnst, dann begleite ich dich gerne auf deinem Weg!
Podcastfolge
Wenn du tiefer in das Thema eintauchen möchtest, dann kannst du dir gerne meine Podcastfolge zum Thema "Toleranzfenster" anhören.